BOGGIONE, Claudio
Italien, Piemont

Es gibt diese Momente, in denen man nicht sucht – und trotzdem findet. So war es bei unserem Besuch bei einem nahezu unbekannten Produzenten während unseres Piemont Urlaubs. Eigentlich wollten wir mit einer kleinen Verkostung nur etwas Zeit bis zu unserem Abendessen in La Morra überbrücken. Doch was uns erwartete, überraschte uns: ein liebevoll geführtes Weingut mit viel Herz und Leidenschaft.
Gegründet wurde der Betrieb bereits 1900 von Antonio Boggione, der damals noch als Lieferant für andere Produzenten tätig war. Erst ab dem Jahrgang 2008 füllt die Familie unter eigenem Namen ab – in winzigen Mengen und mit großer Hingabe. Heute umfasst der Betrieb gerade einmal 1,5 Hektar Rebfläche, auf denen jährlich nur ca. 9000 Flaschen entstehen. Ein echter Familienbetrieb im besten Sinne: Ehefrau, Vater, Mutter, Sohn – alle packen mit an, damit Claudio Boggione seine Vision verwirklichen kann. Und die ist klar: ein Barolo Brunate – ehrlich, traditionell, ungekünstelt.
Solche Weingüter gibt es kaum noch – die meisten sind längst gewachsen, globaler geworden, anders geworden. Boggione aber ist geblieben: bescheiden, bodenständig und still. Vielleicht gerade deshalb ein echter Geheimtipp.
Wir wurden bei unserem Spontanbesuch herzlich empfangen – von einer älteren Dame, die uns kurzerhand in das kleine Verkostungszimmer bat. Zwischen vergilbten Familienfotos, verstaubten Pokalen und alten Holzmöbeln standen wir da – ohne Erwartungen, aber offen für Überraschungen.
Und die kam. Schon beim ersten Glas Langhe Nebbiolo stieg uns ein feiner, vibrierender Duft in die Nase. Elegant, klar, lebendig. Der Wein hatte Charakter, war aber nicht laut. Er wollte nicht beeindrucken – und tat es gerade deshalb. Es war klar, wir müssen wiederkommen.
Direkt am nächsten Tag also durften wir Claudio persönlich kennenlernen – mit seinem Sohn als Dolmetscher an der Seite. Gemeinsam gingen wir durch die Weinberge, warfen einen Blick in den Keller und spürten sofort seine herzliche Art und Leidenschaft, die wir am Tag zuvor bereits in seinen Weinen bemerkt haben.
Seine Reben befinden sich allesamt in der MGA (Menzioni Geografiche Aggiuntive) Brunate. Diese erstreckt sich über die Gemeinden Barolo und La Morra und ist bekannt für einige der elegantesten und feinsten Nebbiolo-Weine des Piemont. Hier prägt ein einzigartiger Boden das Terroir: Vor Millionen von Jahren entstanden unter dem Einfluss von Meeressedimenten blaugraue Mergelböden, reich an Kalziumkarbonat und Mangan. Diese sogenannte Sant’Agata-Mergel-Mischung aus Sand, Ton und Kalkstein verleiht den Weinen eine unverwechselbare, filigrane Säurestruktur und eine besondere Frische.
Typisch für Brunate sind die charakteristischen Aromen von Rosenblättern, frischer Zitronenzeste und einer dezenten Würze. In ihrer Jugend wirken die Weine oft streng und fordernd, doch mit der Zeit entfalten sie eine harmonische Eleganz und Tiefe, die Liebhaber von klassischem Barolo besonders schätzen.
Die Parzelle von Claudio Boggione liegt im südöstlichen Teil von Brunate, direkt angrenzend an das Weingut Ceretto. Noch bis 2008 verkaufte Boggione unter anderem an dieses seinen Wein als Fassware– seitdem wird unter eigenem Label abgefüllt und vermarktet.
Der Ausbau erfolgt spontan – die Vergärung dauert 20 bis 30 Tage im Edelstahl, ohne künstliche Temperaturkontrolle. Anschließend reift der Barolo Brunate traditionell in großen Holzfässern, den sogenannten „Botti“. Zuerst verbringt der Wein ein Jahr in slawonischer Eiche aus dem Hause Garbellotto, danach ein weiteres Jahr in französischer Eiche von der renommierten Küferei Gamba. Der gesamte Prozess ist geprägt von Minimalismus: unfiltriert, ungeschönt, um die Reinheit und Authentizität des Terroirs bestmöglich zu bewahren.
Boggione steht für einen Barolo, der mit seinem Ursprung verwurzelt, ehrlich und unverfälscht ist – ein Wein, der nicht mit Macht beeindruckt, sondern mit Charakter und Seele. Ein echtes Stück Piemonteser Weintradition, welches man sich nicht entgehen lassen sollte.